Ende Juni feierte das Para Centro Locarno mit honorigen Gästen sein 50-jähriges Bestehen. 1969 von zwei Schweizer Fallschirmsport-Pionieren vorausschauend gegründet, ist es heute das führende professionelle Fallschirmsport-Zentrum der Schweiz.

Es war in den 1960er-Jahren, als sich in der Squadra Paracadutistica Ticinese SPT die Schweizer Spitzen-Fallschirmspringer zusammenfanden: der St. Galler Chris Fischbacher, Fallschirm-Weltmeister 1972, und der Flimser Malermeister Hans Bergmann, Mitbegründer der Disziplin Para-Ski. Die beiden waren überzeugt, dass nur ein professionelles Fallschirm-Zentrum den Anforderungen an eine sichere und qualitativ hochstehende Fallschirm-Ausbildung gerecht würde. Dabei sollte ein solches aber auch ökonomisch sinnvoll aufgestellt sein. Auf dieser Grundlage wurde am 10. Juli 1969 eine Aktiengesellschaft mit einem anfänglich voll liberierten Kapital von 50 000 Franken gegründet. Weitere Gründungsmitglieder waren die SPT-Mitglieder Otto C. Honegger, Manfredo Marazza (Inhaber der Aerocentro Ticinese SA), Adriano Meoli, Leonhard «Bobby» Cavegn und Curdin Meiler. Aus der Squadra entstand das Para Centro Locarno dank der Initiative von Chris Fischbacher: Er ist Gründer und nun seit 50 Jahren VR-Präsident! «Das Unternehmen bietet eine seriöse, auf Sicherheit bedachte Ausbildung mit modernstem Material an. Fallschirmspringer finden am Flugplatz perfekte Trainingsmöglichkeiten in kollegialer Atmosphäre und mit zwei Turbo-Porter. Insgesamt also eine runde Sache: Sport, Infrastruktur, Material und Kameradschaft», so Fischbacher.

Von Beginn an war klar, dass es sich um eine Unternehmung handeln sollte, welche Gewinn erzielen muss, um zu wachsen und sich selbst finanzieren zu können. Geld wurde in Ausbildungsmaterial investiert, um die Schulung zu aktivieren. Als Absetzflugzeug wurde eine Cessna 206 der Aerocentro Ticinese SA eingemietet. Für Aufbau und Erweiterung der Infrastruktur wurde am 11. Dezember 1973 das Aktienkapital auf 100 000 Franken erhöht. Ganz am Anfang war der Sitz der Para Centro SA Locarno im Hangar 1, wo ein Faltetisch an der Westseite des Hangars zur Verfügung stand. Im Zusammenhang mit einer Reorganisation der Aerocentro Ticinese SA wurde dem Para Centro später das Gebäude westlich des Ristorante Aeroporto zugewiesen. Nach einigen Jahren musste erneut eine Lösung gesucht werden, da die Aerocentro Ticinese SA das Gebäude selber benötigte. 1978 konnte der jetzige Standort bezogen werden und ein eigenes, modernes Gebäude mit einem Para-Shop erstellt werden.

Erfolg einer strategischen Unternehmensführung

Zu Beginn wurde André Bohn als Chefsprunglehrer und Geschäftsleiter engagiert. Seine rechte Hand war Horst Holzer. Nach vier Jahren verliess Bohn das Centro. Der Verwaltungsrat wählte Erhard Iff zum neuen Leiter, der die Unternehmung bis Ende 1978 führte und von Bob Gretler, der später auf tragische Weise in Deutschland ums Leben kam, unterstützt wurde. Am 1. Juli 1979 übernahm Urs Frischknecht das Centro nach Abschluss seines Betriebsökonomiestudiums. Seither führt er das Zentrum sehr erfolgreich mit einem ausgewiesen kompetenten Team. Mit dabei als Stellvertreter ist Felix Hofstetter als einer der ersten Schweizer Diplomtrainer im AeCS. Die Erfolgsgeschichte des PCL weist 900 000 Absprünge aus, 57 000 Erstabsprünge, 5500 Grundschüler und 33 600 Tandemabsprünge bei einem Total von rund 33 000 Flugstunden.

Ein professionelles Fallschirm-Zentrum auf einem bestehenden Flugplatz mit zivilen und militärischen Aktivitäten zu etablieren, war ein hochgestecktes Ziel und brauchte von allen Beteiligten viel Verständnis, Entgegenkommen, Kooperationsbereitschaft und Koordinationswillen. Letztere wurden von der bescheidenen Zielgenauigkeit des damaligen Fallschirmmaterials (Rundkappenfallschirme) oft bis an die Grenzen beansprucht. Schnell wurde allen Beteiligten klar, dass langfristig nur die Integration in einen überwachten und kontrollierten Flugbetrieb zum Erfolg führen würde. Mit Nachdruck wurde die Weiterentwicklung des Schulmaterials und der Schulungstechniken vorangetrieben. Aus Gründen der Kooperation bewarb sich das Centro im Frühling 1984 um die Konzession zum Betrieb einer Flugschule auf dem Aeroporto Cantonale Locarno, nachdem die bestehende Organisation trotz mehrerer Finanzspritzen und Rettungsversuche definitiv vor dem Aus stand. Das Para Centro-Konzept wurde ausgewählt und die Aero Locarno SA gegründet. Die Verbindung der beiden Operationen hat wesentlich dazu beigetragen, die heutige Lösung zu etablieren. Heute existiert ein voll integrierter Sprungbetrieb mit klar definierten Sektoren, Höhen, Circuits und Verfahren. Das Para Centro konnte immer von den Leistungen der Squadra-Wettkämpfer profitieren und viele Spitzenathleten als Instruktoren einsetzen.

Erweiterung und Modernisierung des Flugzeugparks

Nach und nach konnte die Infrastruktur erweitert werden. Für die Saison 1974 wurde der erste Pilatus Turbo-Porter HB-FDF beschafft, welcher bis 1990 das Hauptflugzeug blieb und dann weiterverkauft wurde. 1980 wurde als zweites Absetzflugzeug eine Dornier Do 27 gekauft, welche bis 1983 betrieben wurde. Ab 1984 wurde eine leistungsstarke, turbinengetriebene und geräuscharme Cessna 206 Soloy eingesetzt. 1989/1990 kaufte das Para Centro zwei fabrikneue Pilatus Turbo-Porter. Sie sind bis heute die Stammflugzeuge und wurden 2018/2019 totalrevidiert. Sie verzeichnen inzwischen über 10 000 Flugstunden und über 30 000 Landungen. Zwischenzeitlich überflogen Geschäftsführer Urs Frischknecht und Pilotin Bettina Arbenz eine fabrikneue Cessna 208 Caravan vom Werk in Wichita, USA, auf der Nordatlantikroute 1993 nach Locarno. Damals, mit vier Absetzflugzeugen, bediente das PCL verschiedene Clubs im In- und Ausland. Eine Rentabilitäts-Überprüfung war Anlass, die Absetztätigkeit ausserhalb Locarnos einzustellen und den Fokus auf Locarno zu legen. Aus diesem Grund wurde die Soloy C206 HB-CKO nach Frankreich verkauft. Das
Pilotenherz von Urs Frischknecht hing an den Portern und der Caravan – sein Betriebswirtschafterherz hingegen schlug für den Betrieb von zwei gleichen Systemen. Aus diesem Grund wurde 1997 die Caravan wieder in die USA verkauft, über den Nordatlantik zurückgeflogen und zeitgerecht dem neuen Besitzer in Seattle übergeben.

Von der Rundkappe zum Flächengleitschirm

Mitte der 1970er-Jahre kamen die Flächengleitfallschirme auf. Damals wagten sich nur die ganz Mutigen mit diesen Geräten in die Luft. Zur Schulung dienten noch T10-Rundkappenschirme. Erst gegen Ende der 70er-Jahre war der Flächengleitfallschirm Standard. 1984 wurde die Schulung auf Flächengleiter umgestellt, die ersten AFF-Grundkurse wurden durchgeführt, Instruktoren als Tandem-Master ausgebildet und ab 1987 in Tandemkursen eingesetzt. Seit 1990 wird nur noch mit Flächengleitschirmen geschult. Die T10-Erstabspringerkurse wurden 1992 gestoppt. Seit 1996 wird die Grundausbildung ausschliesslich nach dem Konzept des Accelerated Free Fall angewendet. Einzige Ausnahme ist die SPHAIR-Grundschulung. Es wird mit Flächengleitschirmen geschult, aber nach wie vor werden die ersten Sprünge mit Reissleinen absolviert. Der Übergang in den Freifall
erfolgt nach etwa sieben Sprüngen. Die Schulung erfolgt ab initio bis zur Lizenz in einem professionellen, integrierten Flug- und Sprungbetrieb.

Die Rolle im Schweizer Fallschirmsport

Das Para Centro ist ein wichtiges Mitglied des Verbands «Swiss Skydive» und engagiert sich seit jeher in der Ausbildungs- und Expertenkommission. Es ist Vorreiter bezüglich neuer Ausbildungstechniken, Fallschirmmaterialien, neuer Verfahren und Prozesse. Zudem ist es sportlich stets das «Back-up-System» für Schweizermeisterschaften: Wenn sich kein Club als Organisator findet, bietet das PCL die «technische» Durchführung der Meisterschaften ohne Rahmenprogramm an. Auch die Fallschirmsprunglehrer-Ausbildung findet seit Jahr und Tag im PCL statt.

In enger Zusammenarbeit mit der Squadra organisiert das Centro die Yellow Target Competition – bis vor ein paar Jahren war das die Internationale Day and Night Competition. Mit der Integration des Ziel-Weltcupfinals hatten die Spitzenteams immer weniger Spass an Nachtsprüngen. Aus diesem Grunde wird seit drei Jahren auf die Ergänzung des Wettkampfs mit Nachtsprüngen verzichtet. In besonderer Erinnerung bleibt der Mitternachtssprung aus zwei PC-6 zum Jahreswechsel 2000.

2022 wird ein spezielles Jahr für das Para Centro. Urs Frischknecht und Felix Hofstetter werden in drei Jahren kürzertreten, die Nachfolgeregelung initiieren und gezielt daran arbeiten, dass das Para Centro auch in Zukunft ein modernes, professionelles Fallschirm-Zentrum bleibt. «Ich bin stolz darauf, dass ich in all diesen Jahren die verschiedenen motivierten, engagierten, einsatzfreudigen und erfolgreichen Teams in diversen Zusammensetzungen und mit einer Vielzahl von absoluten Spitzenmitarbeitern selektionieren und führen durfte», sagt Urs Frischknecht.

 

Artikel aus AeroRevue 7/8 2019
Titelbild: Jürgen Klaus