Das diesjährige Thema lautete «Just Culture – die strafbefreiende Selbstanzeige im Spannungsfeld mit dem Schweizer Recht». Wegen Störung des Öffentlichen Verkehrs ohne Schadenfolgen sind Fluglotsen nach Selbstanzeigen angeklagt und verurteilt worden.

Ein hochkarätiges Gremium von Experten diskutierte Sicherheitskultur versus Gesetz vor einem internationalen Teilnehmerfeld. „Denken Sie, der Fluglotse fühlt sich wohl bei seiner Arbeit?“ fragte Dr. Klaus Affholderbach, Chief Safety Officer bei Skyguide und Mitglied der Geschäftsleitung. Luftverkehr basiert auf einem sehr komplexen, aber sicheren System, betrieben von Menschen. Ein Flugverkehrsleiter hat bis zu 25 Flugzeuge auf seinem Bildschirm und trifft ca 30 Entscheidungen auf dem Radar pro Minute. Er muss 3‘500 Seiten Arbeitsanweisungen, Regeln etc. kennen. „Ein straffreies Meldewesen motiviert und verbessert die Sicherheit.“

Aus Sicht der Safety sind ausschliesslich die Ursachen von Interesse, nicht die Schuldfrage bzw. wer es war, meinte Philipp Spörli, Head of Flight Safety bei der Swiss.

Wir verstehen in der SWISS, dass der Mitarbeiter in einem hochkomplexen Umfeld arbeitet und wir wissen, dass er dabei Fehler machen muss. Dabei handelt es sich um sogenannte Arbeitsfehler.

Entscheidend sei die «Safety-Robustheit» des Systems. Latente Risiken seien, dies mit Bezug auf die künstlich kreierten neuralgischen Kreuzungspunkte am Boden und in der Luft des Flughafens Zürich, systemisch angelegt und von der Politik toleriert.

Wir anerkennen, dass unsere Mitarbeiter im operativen Umfeld trotz ihrer guten Ausbildung, ihres Fachwissens, ihrer Erfahrung, ihrer Fähigkeiten und ihres guten Willens mit sehr schwierigen Situationen konfrontiert werden können. Situationen, die sie an die Grenzen ihres menschlichen Leistungsvermögens bringen und die, kombiniert mit ungewollten und unvorhersehbaren systemischen Einflüssen, unerswünschte Ergebnisse zur Folge haben können.

Zum Thema Spannungsfeld «Strafrecht – Luftrecht» meinte Marc Keusch, Leiter Safety und Risk Management beim BAZL, dass es bei allen anderen Verkehrsträgern, also Bahn, Strasse, Schiff, keine Strafrechtuntersuchungen wegen fahrlässiger Störung des Öffentlichen Verkehrs gebe. Nur aufgrund der guten Reportingkultur in der Aviatik sei ein so hohes Sicherheitsniveau erreicht worden.

Vehement verteidigten Staatsanwalt Rolf Jäger, leitender Staatsanwalt, und Oliver Bertschy, Staatsanwalt Flughafen Zürich, die bekannten Urteile gegen Fluglotsen. Sie stützen sich dabei ausschliesslich auf die Gesetzgebung ab, anerkennen aber gleichzeitig, dass das Gesetz der Sicherheitskultur nicht entspricht und der Gesetzgeber eigentlich dies korrigieren müsste. Für Rechtsanwalt Philipp Bärtschi, Verteidiger der angeklagten Fluglotsen, wird mit den getroffenen Verurteilungen die Arbeit der Fluglotsen wenn nicht verunmöglicht so doch erschwert. In einem flammenden Plädoyer für seine Kollegen liegt für Mario Winiger, Flugverkehrsleiter im Tower Zürich, die Schuld nicht beim Menschen, sondern beim System. Unterstützung erhielt er vom ehemaligen und in Crew Resource Management spezialisierten Swissair-Captain Martin Wyler.

Fazit: Die Urteile gegen die Fluglotsen unterminieren die Sicherheitskultur. Meldungen, nicht Verurteilungen, bilden die Grundlage für eine vollständiges Sicherheitssystem. Ein Sicherheitsnetz interagiert mit den Menschen und verhindert Unfälle.